Verfahrensinformation

Die Antragstellerinnen betreiben im Saarland Elektronikfachmärkte. Sie wenden sich mit ihren Normenkontrollanträgen gegen Zutrittsbeschränkungen für ihre Fachmärkte in der Zeit vom 23. Dezember 2021 bis 25. Januar 2022 durch die saarländische Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Die angegriffene Regelung bestimmte, dass Ladenlokale des Einzelhandels nur von Kundinnen und Kunden betreten werden durften, die einen Nachweis über einen Impfschutz gegen COVID-19 oder über eine Genesung von einer COVID-19-Erkrankung vorlegten (so genannte 2G-Regelung). Die Betriebe hatten die Einhaltung der Nachweispflichten zu kontrollieren. Ausgenommen von der Zutrittsbeschränkung waren Ladenlokale zur Deckung des täglichen Bedarfs; Elektronikfachmärkte zählten nicht dazu.


Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat durch Urteil vom 21. Juli 2022 den Anträgen stattgegeben und festgestellt, dass die angegriffene Verordnungsbestimmung über die Zutrittsbeschränkung für Ladenlokale unwirksam war. Die Regelung in der bis zum 30. Dezember 2021 geltenden Fassung verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Katalog der von der Beschränkung ausgenommenen Einzelhandelsbetriebe sowie die Regelung über die Zulässigkeit des Verkaufs von Mischsortimenten seien eine infektionsschutzrechtlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung gegenüber spezialisierten Einzelhändlern wie den Antragstellerinnen gewesen, die ein Warensortiment handelten, das sie nur mit, z. B. Supermärkte oder Discounter hingegen ohne 2G-Zugangsbeschränkung hätten anbieten dürfen. Die 2G-Zugangsbeschränkungsregelung für Ladenlokale in der ab 31. Dezember 2021 bis 25. Januar 2022 geltenden Fassung verstoße gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Bestimmtheit von Normen. Es sei nicht hinreichend klar gewesen, welche Ladenlokale über die benannten Beispiele hinaus von der Zutrittsbeschränkung ausgenommen gewesen seien. Zudem sei unklar gewesen, ob die Antragstellerinnen, die auch Haushaltswaren und -großgeräte handelten, insoweit in den Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung einzubeziehen gewesen seien.


Gegen dieses Urteil wendet sich der Antragsgegner mit der vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision.


Pressemitteilung Nr. 17/2024 vom 18.04.2024

2G-Zugangsbeschränkungen für nicht der Deckung des täglichen Bedarfs dienende Ladengeschäfte durch die saarländischen Verordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 30. Dezember 2021 und 12. Januar 2022 waren nicht hinreichend bestimmt

Die Regelungen der saarländischen Verordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (VO-CP) vom 30. Dezember 2021 und 12. Januar 2022 über die Zulässigkeit des Zugangs zu nicht der Deckung des täglichen Bedarfs dienenden Ladengeschäften nur mit 2G-Nachweis* waren unvereinbar mit dem Gebot der Bestimmtheit von Rechtsnormen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 7 VO-CP vom 30. Dezember 2021 und § 6 Abs. 1 Nr. 6 VO-CP vom 12. Januar 2022 war der Zugang zu Ladenlokalen nur mit 2G-Nachweis zulässig; nach Absatz 3 hatten die Betreiber der Ladenlokale die Einhaltung der Nachweispflichten sicherzustellen. Davon ausgenommen waren Ladenlokale, deren Waren- oder Dienstleistungsangebot der Deckung des täglichen Bedarfs diente. Zur Deckung des täglichen Bedarfs gehörten insbesondere die in § 6 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 bzw. Nr. 6 Satz 2 aufgeführten Betriebe, Einrichtungen und Waren. Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat auf die Normenkontrollanträge von Betreibern von Elektronikfachmärkten mit Urteil vom 21. Juli 2022 festgestellt, dass § 6 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 3 VO-CP vom 30. Dezember 2021 sowie § 6 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 3 VO-CP vom 12. Januar 2022 unwirksam waren. Das Bundesverwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Revision des Saarlandes zurückgewiesen.


Nach der für das Bundesverwaltungsgericht verbindlichen Auslegung der Landesverordnungen durch das Oberverwaltungsgericht war der Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 bzw. Nr. 6 Satz 2 VO-CP unklar. Ausgehend davon hat das Oberverwaltungsgericht ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, die Regelungen hätten den Anforderungen an die Normenklarheit und -bestimmtheit aus Art. 20 Abs. 3 GG nicht genügt.


Soweit das Oberverwaltungsgericht auf die Normenkontrollanträge der Antragstellerinnen außerdem festgestellt hat, dass § 6 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 3 VO-CP vom 22. Dezember 2021 unwirksam war, hatte die Revision des Saarlandes Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Oberverwaltungsgerichts insoweit aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Bewertung, die Ausnahme von der 2G-Zugangsbeschränkung für Mischsortimenter (§ 6 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 Buchst. o VO-CP vom 22. Dezember 2021**) habe gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen, auf zu schmaler Tatsachengrundlage getroffen; seine Feststellungen genügen nicht, um einen sachlichen Grund für die gerügte Ungleichbehandlung zu verneinen (vgl. PM vom heutigen Tag Nr. 16/2024). 


Fußnote:

*Ein 2G-Nachweis im Sinne der genannten Verordnungen war ein Nachweis über einen Impfschutz gegen COVID-19 oder ein Nachweis über eine Genesung von einer COVID-19-Erkrankung.


** § 6 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 Buchst. o VO-CP vom 22. Dezember 2021 lautete:


Zur Grundversorgung zählen


[…]


o) Mischsortimenter, in deren gesamtem Warenangebot der von der 2G-Regelung ausgenommene Sortimentsteil wesentlich überwiegt.


BVerwG 3 CN 8.22

Vorinstanz:

OVG Saarlouis, OVG 2 C 294/21 - Urteil vom 21. Juli 2022 -